Das Gamswild

In schriftlicher Abstimmung aller Mitglieder der SCHUTZGEMEINSCHAFT wurde die Gams zum Tier des Jahres 2012 gewählt.

In vorgeschichtlicher Zeit war das Gamswild, wie fossile Funde beweisen, über ganz Mitteleuropa verbreitet. Heute ist sein Vorkommen inselartig geworden und beschränkt sich auf die Gebirge.

Ursprünglich hielt man das Gamswild für eine wilde Ziegenart. Berichte über sein Vorkommen gibt es schon aus frühgeschichtlicher Zeit. Der Römer Cato der Ältere (gestorben 149 v. Chr.) schrieb von wilden Ziegen, die in den etrurischen Bergen – dem heutigen Apennin – vorkamen und auch bejagt wurden.

Der Naturforscher Plinius der Ältere (gestorben 79 v. Chr.) befasste sich in seinem Buch „Historica naturalis“ mit dem Gamswild. Er hielt dieses ebenfalls für eine wilde Ziegenart und empfahl eine Mischung aus Gamsfett und Gamsmilch als Heilmittel gegen die Schwindsucht.

Im 13. Jahrhundert verfasste der bayerische Dominikanermönch Albertus Magnus ein Buch über die Tiere und beschrieb darin auch die Gams. Er gab ihnen den Namen Gemezen und erzählte, dass deren Hörner nicht zum Kämpfen dienen, sondern zum Klettern. Sie seien deshalb nach vorne gebogen. Albertus Magnus hat sicher nie eine Gemse aus der Nähe gesehen und ist das Opfer eines unzuverlässigen Berichterstatters geworden.

Je nach dem Einstand spricht man von Waldgams und Gratgams, von Laubböcken, die in den Grünerlen stehen, und von Latschenböcken, die Latschenfelder als Einstand wählen.

Da das Gamswild aber je nach Witterung und Jahreszeit seinen Einstand wechselt, kann ein Gamsbock, der in der heißen Jahreszeit in einer Grünerlendickung steht, bei Einbruch kühler, regnerischer Witterung auf der Sonnenseite, in der Felsregion, anzutreffen sein.

Auch Sommer- und Brunfteinstand liegen oft weit voneinander entfernt.

Seit einiger Zeit werden die im Walde angetroffenen Gams stark bejagt, da sie im Wirtschaftswald und insbesondere im Schutzwald forstliche Maßnahmen, wie die Einbringung von standortgemäßen Baumarten, gefährden können. Dauernde menschliche Störungen und schroffe Witterungsumschläge können das Gamswild veranlassen, den tiefer liegenden Wald für kürzere oder längere Zeit als Einstand zu wählen.

Seit etwa vierzig Jahren müssen wir im gesamten Alpenraum eine Zunahme der Waldgams feststellen. Eine Ursache ist wohl die Übernutzung der Alpen durch den Erholung suchenden Menschen, der das Gamswild aus den Einständen in der Kampfzone des Waldes und aus der Almregion in den tiefer liegenden Wald treibt, wo es Deckung und Äsung findet.

Solange sich der Bergwanderer an Wege und Steige hält, fühlt sich der Gams nicht belästigt. Störenfriede sind der wild, abseits von Wegen durch die Berge wandernde Tourist und im Winter der Tiefschneefahrer, der das Wild aus den gewohnten Einständen verjagt. Die verursachten Störungen können für das Gamswild tödliche Folgen haben. In neuerer Zeit kommen zu diesen Störungen auch Drachenflieger und Paragleiter hinzu.

Den zahlenmäßig höchsten Bestand weist Österreich mit seinem großen Alpenanteil auf, aber auch in den anderen Alpenländern kommt das Gamswild vor: in Bayern, der Schweiz, in Frankreich, Liechtenstein und auf dem Balkan. Außerhalb der Alpen finden wir Gams in Spanien in den Pyrenäen und in den Cantabrischen Bergen, im Französischen Jura, in Griechenland im Pindusgebirge, in Italien im Apennin, in der Slowakei und in Polen in der Tatra, in Bulgarien im Rhodopengebirge, in Rumänien in den Transsylvanischen Alpen und in den Karpaten, in der Türkei im Pontischen Gebirge, im Taurus und Antitaurus.

Wiedereinbürgerungsversuche wurden im Schwarzwald, in den Vogesen und im Schweizer Jura vorgenommen. Kleine Gamsvorkommen bestehen im Altvatergebirge und im Elbsandsteingebirge. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Gamswild nach Neuseeland gebracht. Es hat sich dort so stark vermehrt, dass eine Bestandsreduktion zur Verhinderung größerer Erosionen notwendig geworden ist.

Nach ihrem Vorkommen werden in Anlehnung an die Arbeiten von Haltenorth und Trense beim Gamswild acht Unterarten unterschieden. Bis auf die Abruzzengams und der in den Pyrenäen lebende Gams (Isard), unterscheiden sie sich nur unwesentlich. Während der Alpengams nur auf dem Haupt weiße Stellen aufweist, dehnen sich beim Abruzzengams diese weißen Partien über den Hals aus und erstrecken sich auch über das Schulterblatt. Im Durchschnitt sind die Krucken höher als beim Gams der Alpen. Der Bestand wird derzeit auf etwa 400 bis 500 Stück geschätzt.

Der in den Pyrenäen vorkommende Gams ist der im Wildbret Schwächste. Nach Couturier sind beim Pyrenäengams die weißen Stirnpartien nicht so scharf gegen die Zügel – die dunklen Streifen, die sich vom Auge zum Äser erstrecken – abgegrenzt wie beim Alpengams.

Nur unwesentlich unterscheidet sich der Cantabrische Gams vom Alpengams. Seine Zügel sind fahlgrau, außerdem befinden sich auf der Strinblesse vor den Schläuchen der Krucke zwei dünne Streifen dunklerer Haare.

(Quelle: Das Große Gamsbuch)

Jana Brinkmann-Werner
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